Haushalt als Liebesdienst

Die Idee der sorgenden Hausfrau, die sich um den Familienhaushalt kümmert, dessen reibungslosen Ablauf organisiert und sich gleichzeitig um das Wohl von Kindern und Mann kümmert, ist erstaunlich modern und hält sich hartnäckig in unserer Gesellschaft.

Die Kulturwissenschafterin Evke Rulfes analysiert in ihrem im Herbst 2021 erschienen Buch „Die Erfindung der Hausfrau – Geschichte einer Entwertung“ das historisch gewachsene Konstrukt der „Hausfrau“, das seit circa 200 Jahren existiert. Tatsächlich ist die „Hausfrau“ als Modell eine Entwicklung, welche sich im 19. Jahrhundert zu etablieren begann – genährt von dem Boden der Spätfolgen der Aufklärung des 18. Jahrhunderts. Bis dahin war das Ehepaar ein Arbeitspaar. Auf das Gehalt der Frauen konnten die meisten Familien (auch Bürgerliche) nicht verzichten, um überhaupt überleben zu können. Die Aufspaltung, dass Frauen für den Haushalt eigens zuständig sind, entsprang aus ökonomischen Zwängen aus einer damals kleinen, wohlhabenden Schicht, die dieses Modell in Folge als Ideal propagierte und sich dann durch das Wachsen der Mittelschicht vergrößerte und zu etablieren begann.

Liebesheirat – Unterordnung – Entwertung
Während Ende des 18. Jahrhunderts noch erste Ratgeber erschienen, die sich dezidiert an Frauen in ihrer Rolle als Hausmutter und Betriebsleiterin richteten – aber noch als gleichwertiges Mitglied des Haushaltsvorstandes – wurde im Zuge des 19. Jahrhunderts immer mehr die Unterordnung der Frau unter den Mann gefordert. Die Zweckehe wurde durch die Liebesehe abgelöst. Dass die Hausarbeit nicht entlohnt wurde, führte auch zur Entwertung dieser Arbeit.

Eine Unterbrechung des Prinzips der Hausfrau fand in den 1920er Jahren aufgrund der ersten Welle der Frauenbewegung statt. Diese kurze frauenemanzipatorische Periode wurde aber durch die Ideologie und Herrschaft der Nationalsozialisten wieder rückgängig gemacht.

Den Höhepunkt des Konstrukts der „Hausfrau“ und in Folge die gesellschaftliche Isolation und Vereinsamung der Frau fand im deutschsprachigen Raum in den 1950/60er Jahren statt, einer Zeit, in der viele Menschen es sich erst überhaupt leisten konnten zu heiraten. Der propagierte Fortschritt, dass „die Frau nicht arbeiten gehen muss“, hatte im Umkehrschluss eine totale finanzielle Abhängigkeit der Frau zur Folge. Das Konzept der Hausfrau setzte sich im 20. Jahrhundert alternativlos durch und hat sich in den Köpfen derart eingebrannt, also wäre es schon gefühlte 1.000 Jahre alt.

Harte Realität
Frauen von heute stehen tagtäglich vor der Zerreißprobe, all die Arbeit unter einen Hut zu bekommen: Kinder, Hausarbeit, Care-Arbeit, politisches und ehrenamtliches Engagement sollen neben der gesellschaftlich anerkannten und bezahlten Erwerbsarbeit „nebenbei“ miterledigt werden.

In den letzten beiden Jahren, die durch die Corona-Krise geprägt waren, wurde zwar wieder mehr über Care-Arbeit gesprochen – die adäquate finanzielle Honorierung der systemrelevanten Berufe lässt aber auf sich warten. Solange die Wertschätzung von Haus- und Care-Arbeit gesellschaftlich nicht gegeben ist, werden sich auch die Rahmenbedingungen für diese Berufe nicht ändern. Es ist an der Zeit, unsere gesellschaftlichen Werte endlich grundlegend zu überdenken und Arbeit neu zu bewerten!

Sabine Traxler

Literaturhinweis

Evke Rulffes

Die Erfindung der Hausfrau – Geschichte einer Entwertung

Das Buch ist ein historisch fundiertes Plädoyer für mehr Gerechtigkeit und Wertschätzung der Care- und Hausarbeit

HarperCollins, 288 Seiten

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit Deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Twitter-Bild

Du kommentierst mit Deinem Twitter-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit Deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

%d Bloggern gefällt das: