„Auf der Höhe dieser Zeit“ — Feministische Außenpolitik ist eine Außenpolitik für alle

Der 24. Februar 2022 ist der Tag, an dem für viele Europäer:innen Krieg, Flucht, Unsicherheit und Angst ein Stück mehr in ihr Leben herangerückt sind. Es ist der Tag, an dem die russischen Streitkräfte ihre Invasion in der Ukraine starteten. In der Folge fand in Berlin einen Monat später das erste „Feminist Foreign Policy Summit“ in Zusammenarbeit mit den Regierungen Kanadas, Schwedens, Mexikos – Regierungen, die bereits auf das Konzept der feministischen Außenpolitik setzen – und vielen weiteren zivilgesellschaftlichen Organisationen statt. Mit dem Schlagabtausch im deutschen Bundestag zwischen der Außenministerin Annalena Baerbock und Friedrich Merz, bei dem die grüne Ministerin klar auf ihre Positionen und die schwere Rolle von Frauen im Krieg hinwies, rückte das Thema der feministischen Außenpolitik nochmals mehr ins Zentrum der medialen und gesamtgesellschaftlichen Aufmerksamkeit. Baerbock stellte klar und deutlich fest, dass zur Sicherheitspolitik des 21. Jahrhunderts auch eine feministische Sichtweise dazugehört: „Das ist kein Gedöns. Sondern das ist auf der Höhe dieser Zeit“, sagte sie.

Was ist feministische Außenpolitik?

Die Anfänge lassen sich wohl bereits ins frühe 20. Jahrhundert verfolgen, als sich damals im niederländischen Den Haag über tausend Frauen zur ersten internationalen Frauen-Friedenskonferenz zusammenfanden, um eine Liste an Forderungen zu formulieren, die dem Wettrüsten des ersten Weltkriegs ein Ende setzen sollte. Weitere wichtige Meilensteine auf dem Weg zur feministischen Außenpolitik sind die 1981 in Kraft getretene UN-Frauenrechtskonvention (CEDAW), die UN-Resolution 1325 und weitere folgende Resolutionen.

2014 hob die schwedische Außenministerin Margot Wallström (2014-2019) weltweit die erste feministische Außenpolitik aus der Taufe. Erstmals bekannte sich ein Land offiziell zu einer Art von Außenpolitik, die für die Rechte von Frauen weltweit einsteht mit dem Ziel, Gleichheit zwischen den Geschlechtern herzustellen und Mädchen und Frauen zu ihren Grundrechten zu verhelfen. Vier Jahre später präsentierte Wallström das erste „Handbuch für feministische Außenpolitik“. Es ist eine Art Anleitung für andere Staaten und NGOs, wenn es um die politische Teilhabe von Frauen geht, die ökonomischen Rechte von Frauen und um den Umgang mit sexueller Gewalt gegenüber Frauen in Konflikten. Dabei orientiert sich das Buch an den drei Rs: Rechte, Repräsentation und Ressourcen.

Grundsätzlich lässt sich feministische Außenpolitik als akademische Theorie und auch politische Praxis beschreiben, deren Ziel eine sichere, friedliche, gerechte und an Menschenrechten orientierte Außenpolitik ist. Sie fordert zudem eine Sicherheitspolitik, die Geschlechter gleichbehandelt und auch immer fragt, welche Konsequenzen politische Entscheidungen auf diskriminierte und vulnerable Gruppen haben. Feministische Außenpolitik ist insofern das Gegenstück zur traditionellen Außenpolitik, bei der Macht, Dominanz, militärische Stärke, Aufrüstung und Männlichkeit im Vordergrund stehen.

Und Österreich?

Feministische Außenpolitik ist in Österreich politisch nach wie vor kaum ein Thema. Beim Bundeskongress der Grünen Ende April 2022 wurde jedenfalls der von den Grünen Frauen Österreich eingebrachte Antrag für eine feministische Außenpolitik einstimmig angenommen. Die Grünen positionieren sich also klar für eine Außenpolitik, die patriarchale Praktiken des politischen Handelns hinterfragt, Unterdrückungsstrukturen beendet und Maßnahmen für eine feministische, kooperative Friedenspolitik sowie Schutzmaßnahmen vor sexualisierter Kriegsgewalt setzt. Zu einer Sicherheitspolitik des 21. Jahrhunderts gehört ganz klar auch eine feministische Sichtweise.

Literaturhinweis

Eine Vordenkerin in Sachen feministische Außenpolitik ist Kristina Lunz – Diplomatin, Aktivistin und Gründerin des Centre for Feminist Foreign Policy in Deutschland. Anfang 2022 erschien ihr Buch „Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch“, in dem sie den Einfluss von alten, weißen, westlichen Männern auf die Politik und die Theorie und Praxis der internationalen Beziehungen thematisiert. Dass es keinen Frieden ohne Feminismus geben wird, davon ist sie überzeugt.

Kristina Lunz
Die Zukunft der Außenpolitik ist feministisch
Wie globale Krisen gelöst werden müssen | Weltpolitik im 21. Jahrhundert: Frieden & Gesundheit, Menschenrechte & Klimagerechtigkeit für alle überall
Econ Verlag 2022

Autorin: Sabine Traxler

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